Aus der Presse

Digital und umsorgt – Geschäftsreisen nach Corona

Flexiblere Tarife, Gesundheit im Fokus und mehr Bürokratie: Experten der Business-Travel-Branche sagen, was auf Firmen zukommt.

Für April und Mai hatte die selbstständige Beraterin Bettina Brummer gut ein Dutzend Kundentermine in ihrem Kalender notiert. „Für mich waren Corona und die verordnete Vollbremsung ein Schock“, sagt sie heute. „Ich hatte keine Ahnung, wie ich meinen Job, ohne zu reisen, weiter ausüben kann und ob die Unternehmen überhaupt bei der Stange bleiben würden.“

Tatsächlich hat sie bis dato kaum einen Auftrag verloren. Und die Projekte – so sie nicht verschoben wurden – laufen per Webkonferenz weiter. „Das ist zwar nicht das Gelbe vom Ei“, sagt Brummer, „aber es funktioniert besser, als ich es mir vorgestellt hätte.“ Dennoch steht für sie fest: „Sobald ich wieder geschäftlich reisen kann, werde ich damit nicht eine Minute zögern.“

Wie wird sie aussehen, die Welt des Business Travel nach Corona? Kommt es zu dem seit Jahren prognostizierten Digitalisierungsschub? Was macht der wirtschaftliche Stillstand mit den Anbietern im Geschäftsreisemarkt? Welche Folgen wird ein möglicherweise verändertes Buchungs- und Reiseverhalten haben? Kommt es zu einer weiteren Konzentration der Marktmacht und damit zu höheren Preisen?

Wir haben Branchenvertreter gefragt, wo sie das Dienstreisesegment nach Corona sehen und welche Veränderungen es ihrer Ansicht nach geben wird.

1. Weniger und selektiver Reisen

Dass die Wirtschaft auch künftig reisen wird, davon zeigt sich Inge Pirner, Travel Managerin bei Datev, überzeugt. „Aber es wird weniger werden, und manch eine Veranstaltung wird ins Netz abwandern.“ Eine Feststellung, der die Travel-Management-Beraterin Liane Feisel zustimmt. „Firmen werden bewusster und selektiver reisen“, sagt sie: „Reisezweck und Reisenotwendigkeit werden in den Fokus rücken.“ So würden sich Unternehmen verstärkt fragen, ob wirtschaftlich betrachtet ein persönliches Treffen tatsächlich einen größeren Mehrwert stifte als das virtuelle Pendant.

Soll heißen: Mehr denn je unterziehen Firmen die Geschäftsreisen einer Aufwand-Risiko-Nutzen-Analyse. „Je nach Bewertungsergebnis werden die Weichen dahingehend gestellt, ob die Reise persönlich oder virtuell vorgenommen wird, sprich eine Weiterleitung auf die Online-Buchungsseite oder die Videokonferenz-Plattform erfolgt“, sagt Feisel.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr prognostiziert einen massiven Nachfragerückgang nach Reisen und hat dabei besonders die Geschäftsreisenden im Auge: Weil sie zunächst deutlich weniger unterwegs sein würden, legt sein Unternehmen rund zehn Prozent seiner Flotte still. Besonders innerdeutsch und auf der Fernstrecke – in beiden Segmenten dominiert der Firmenverkehr – kommt es zu Einschnitten. Spohr geht davon aus, dass Corona die „Globalisierung ein Stück weit zurückgedreht“ hat.

2. Gesundheit rückt in den Fokus

Einig zeigen sich die Experten in einer weiteren Frage: Der Schutz des Reisenden wird im Travel Management einen noch höheren Stellenwert einnehmen als bislang schon – „und zwar vor, während und nach der Reise“, sagt Liane Feisel. Das Thema Gesundheit könnte auch in die Reiserichtlinien einfließen. So wie nach den Terroranschlägen das Travel Risk Management stärker in den Fokus rückte, wird es nach Corona Gesundheitsprogramme geben, die das berufliche Reisen etwa an strengere Hygienevorschriften binden.

Auch bei der Wahl der Anbieter werden die Unternehmen mehr auf hygienische Aspekte achten: Ist die Bestuhlung im Flieger so großzügig, dass die Passagiere nicht allzu dicht aufeinanderhängen? Desinfizieren die Hotels ihre Zimmer professionell? Und lässt sich möglichst viel kontaktlos bezahlen – oder besser noch zentral schon vor der Reise? „Möglicherweise wird es aber auch für die Reisenden selbst einen neuen Standard für die Gesundheitszertifizierung geben – etwa für die Corona-Immunität“, mutmaßt Dustin Figge, Chef des Apartment-Portals Homelike.

3. Überwachung nimmt zu

Um gesundheitliche Gefahren zu minimieren, müssen Unternehmen jederzeit wissen, wo sich die Beschäftigten befinden – aber auch, wen sie treffen. Nur bei zuverlässiger Dokumentation lassen sich mögliche Infektionsketten zurückverfolgen. Zudem kann sich „ein besserer Einblick in die Aufenthaltsorte sogar positiv auf Versicherungsprämien auswirken“, vermutet Homelike-Chef Figge. Entscheidend wird es sein, wie sich Überwachungssysteme entwickeln und steuern lassen, ohne in die Privatsphäre des Mitarbeiters einzudringen und gegen den Datenschutz zu verstoßen.

4. Flexiblere Buchungen werden wichtig

Stornierungen, Gutscheine, Rückerstattungen – ein heißes Thema in der Corona-Krise. Manche Unternehmen hatten und haben hohe Ausfallkosten, weil es für restriktive Raten keine Rückerstattung gab. Um dies künftig zu vermeiden, werden Firmen mehr denn je auf flexible und kostenfreie Stornierungen drängen. Wer diese wünscht, muss dafür allerdings mehr Geld ausgeben. Unternehmen, die dennoch weiterhin auf günstige Tarife setzen, müssen verstärkt einpreisen, im Falle einer Krise keine Erstattung zu erhalten.

5. Bürokratie ufert aus

Die Zeiten, in denen der deutsche Pass als einer der wertvollsten galt, weil nur für wenige Einreisen Visa nötig waren, sind (vorerst) vorbei. Um sich vor Gesundheitsgefahren zu schützen, könnten manche Staaten neue bürokratische Hürden bei den Einreisemodalitäten schaffen – beispielsweise Gesundheitszertifikate für Reisende, welche die Corona-Immunität garantieren, sagt Figge.

In: BizTravel, Mai 2020

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