Aus der Presse

Mit A anfangen – nicht mit Z

Wer sein Travel Management global und digital neu aufstellen will, sollte dabei mit großer Sorgfalt vorgehen, sagt Beraterin Liane Feisel.

Mach mal digital! Wer die Aussagen mancher Wirtschaftslenker verfolgt, bekommt den Eindruck, als hänge unser aller Heil von einem einzigen Faktor ab: der schnellstmöglichen Digitalisierung. Für einige Manager scheint die Digitalisierung sogar zu einer Art neuem Gott geworden zu sein. Sozialforscher hingegen schlagen Alarm: Wer rasch und unüberlegt digitalisiert, vernichtet Millionen von Jobs, nimmt den Menschen ihr Einkommen und ihre Kaufkraft – und sorgt damit erst recht für wirtschaftlichen Niedergang.

Fakt ist: Die Digitalisierung hat das Travel Management erreicht – zumindest die Forderung danach. Neue End-to-End-Technologien sollen dafür sorgen, dass von der Reisegenehmigung über die Buchung und die Abrechnung bis zum Reporting alles automatisch und ohne Medienbruch geschieht. Das Ganze natürlich global. Und mobil. Per Chatbot schließlich sollen die Reisenden sanft zur Richtlinientreue angetrieben werden.

Alles aus einem Guss: Was grundsätzlich nicht übel klingt, hat (mindestens) einen Haken. Wer schnell digital und global will, zerstört in der Geschäftsreiseplanung mehr, als er verbessert. Im Gespräch mit BizTravel rät die Beraterin Liane Feisel (Feisel Consulting) zu einem sorgfältigen Vorgehen.

 

Integrierte Prozesse, global und digital, also weltweit „End-to-End“– das wünschen sich Unternehmen für ihr Travel Management. Was ist daran so falsch?

Grundsätzlich falsch ist daran nichts. Aber unsere Erfahrung ist, dass häufig der letzte Schritt vor dem ersten getan wird. Das heißt, dass die Geschäftsführung oder das Top-Management der Firma bereits ein elektronisches System ausgewählt hat, ohne zuvor die Prozesse in den betreffenden Ländern analysiert zu haben. Oft wird das Travel Management vor vollendete Tatsachen gestellt.

Warum können diese das System nicht einfach einsetzen?

Können sie schon, die Frage ist nur, wie sinnvoll und effizient es ist, vorhandene, meist komplexe Prozesse in ein neues System zu pressen. Das passt nur sehr selten und ist so, als würde man für jemanden einen Anzug kaufen, ohne dessen Maße zu kennen. Ich empfehle daher, die Einführung einer globalen, digitalen Lösung strukturiert anzugehen und mit A zu beginnen – nicht mit Z.

Was ist denn „A“, also womit konkret sollte ein Unternehmen starten?

„A“ steht für Analyse. Aber keine Analyse ohne Daten – und diese liegen gerade global meist nur rudimentär vor, wenn überhaupt. Deshalb starten wir in der Regel mit einer umfangreichen Fragebogenaktion, also dem Abfragen der „Körpermaße“ des Unternehmens, um beim Anzug zu bleiben . Wir empfehlen jedoch, um den Aufwand zu reduzieren und sich nicht zu verzetteln, zunächst die Kernländer und damit die Kostentreiber zu identifizieren und sich auf diese zu konzentrieren. Meist sind es 6 bis 8 Länder und nicht Dutzende, die mindestens 80% des Reisevolumens auf sich vereinen. Diese Länder sollten im Fokus stehen und ins Projekt eingebunden werden. Hilfreich ist es, dabei auch den einen oder anderen Workshop vor Ort abhalten.

Was meinen Sie mit den „Körpermaßen der Firma“?

Um das passende System zu finden, sollten Sie die Reisestruktur, die Reiserichtlinien, die Prozesse, die Partner, die Software sowie die Spezifika der betreffenden Länder kennen. Also beispielsweise: Was schreiben die Reiserichtlinien vor? Gibt es Antrags-/Genehmigungsverfahren, und wenn ja, wo sind diese im Prozess verankert? Mit wie vielen und welchen Reisebüros wird zusammengearbeitet? Wo wird online gebucht und mit welchen Systemen? Welche Art von Flügen dominiert: eher Punkt-zu-Punkt-Strecken, die prädestiniert sind für Online-Buchungen, oder komplexere Reisen, die offline durch das Reisebüro besser zu buchen sind? Wie werden Reisen bezahlt und Reisekosten abgerechnet?

Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen werten wir dann in einer großen Matrix aus und stellen immer wieder fest, welche Unterschiede existieren – nicht nur auf globaler Ebene zwischen den Ländern, sondern häufig auch schon innerhalb eines Landes. In eine technische Standardlösung lassen sich eine derartige Vielfalt und Komplexität jedenfalls nicht pressen.

Eine solche Standardlösung ist aber ja das Ziel. Was ist zu tun?

Es gilt, einen gemeinsamen Nenner zu finden und darauf basierend einen möglichst schlanken und standardisierten Prozess zu definieren, der Raum lässt für die eine oder andere Länderfacette. Hierzu muss man aber eng mit den Ländern zusammenarbeiten. Zudem sind Kommunikationstalent und Diplomatie der Travel Manager gefragt, es sei denn, die Unternehmensspitze „diktiert“ den Standard. Die Vorgehensweise ist letztlich eine Frage der Unternehmenskultur, wobei ein auf Konsens basierender Prozess sicherlich eine höhere Akzeptanz finden wird.

Aber ist der Aufwand am Ende nicht viel zu groß dafür?

Nein. Der Aufwand ist viel größer, wenn Sie – um im Bild zu bleiben – den Anzug in irgendeiner Größe und Form kaufen und im Nachhinein daran rumschneidern. Es wird ein Flickwerk und nie richtig passen. Zudem bietet die Analyse die Chance, Abläufe im Travel Management transparent zu machen, Schwachstellen aufzuzeigen und alte Zöpfe abzuschneiden. Dazu gehören auch teure Genehmigungsschleifen und Medienbrüche.

Welche Rolle spielt die bestehende IT-Landschaft im Travel Management?

Eine wesentliche! Die IT-Landschaft oder die globale IT-Strategie stellen die Weichen für das System. Wichtig ist, dass IT und Travel Management Hand in Hand arbeiten und die Systeme sowohl den IT- als auch den Prozessanforderungen im Travel Management gerecht werden. Häufig sind bei global aufgestellten Unternehmen schon Buchungsmaschinen oder sogar End-to-End-Systeme im Einsatz. Es existiert eventuell bereits ein Best Practice im eigenen Unternehmen, das als Schablone fungieren kann. Es ist jedoch zu prüfen, ob ein System für alle Länder das richtige ist. Mit Hilfe eines dezidierten Anforderungskatalogs und den Erkenntnissen aus der Analyse sollte der Markt sondiert und eine passende Lösung gewählt werden. Je nach Ländermix kann es ratsam sein, weltweit mehr als nur ein System auszuwählen.

Der Forderung mancher Vorstände, digital ganz schnell umzusetzen, entspricht das nicht gerade ...

Am Ende haben die Unternehmen aber mehr davon, sich diesem komplexen Thema in Ruhe zu widmen. Sprich: erst die Analyse machen, dann das Konzept entwerfen und zum Schluss die passenden Systeme auswählen. Das mag zwar nicht in die heutige Zeit des „Schnellmachens“ passen, garantiert aber ein weitaus besseres Ergebnis. Wichtig ist dabei, dass grundlegende Veränderungen wie die Einführung eines Systems nicht über die Köpfe der Travel Manager hinweg entschieden werden. Denn diese kennen die Fallstricke und liefern wertvolle Informationen. Projekte, die in einer Sackgasse stecken oder bei denen das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, hatten wir schon mehrere. Die Rettungsaktionen sind dann aufwändiger und teuer als ein gut strukturiertes Projekt von Anfang an.

In: BizTravel, Januar 2020

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