Aus der Presse

Total global

Ruhpolding und Rio, Schwäbisch Gmünd und Schanghai, das schließt sich nicht aus. "Uns erreicht kaum noch eine Ausschreibung ohne internationale Aspekte", sagt Klaus Henschel, Chef der Lufthansa City Center, die sich als dezidiert mittelständisch betrachten. "Viele Firmen fragen das nur vorbeugend. Doch ohne globale Angebote haben Sie heute keine Chance mehr." Längst ist der deutsche Mittelstand, oft als Marktführer in seinem Segment, weltweit unterwegs. Und immer häufiger will er auch für sein Travel Management eine weltweite Lösung. Die muss sein Reisebüropartner ihm bieten.

Eine zweite Welle der Globalisierung, so scheint es, hat die Branche erreicht. Nach den Großen setzen zunehmend die KMU auf internationale Vereinheitlichung - trotz aller Proteste gegen TTIP und Ceta, trotz Brexit, trotz Trumpschem Wettern gegen den globalen Handel. Das Gute: Aus den Fehlern, welche vor Jahren die Konzerne begangen haben, können sie lernen. Das Schlechte: Nicht alle machen das. "Wir sollen jetzt global machen, möglichst sofort", berichtet ein Travel Manager aus Westfalen. Anweisung von oben!

Keine gute Idee - halten dem die Branchenexperten entgegen. Denn global geht zum einen nicht schnell, zum anderen bleiben nicht selten erhoffte Sparerfolge oft aus. "Ein globales Travel Management lässt sich nicht ruck, zuck umsetzen", sagt Travel-Management-Beraterin Liane Feisel (Feisel Consulting). "Und es braucht ein Mandat." Ganz wichtig: Wer internationalisieren will, sollte sich genau überlegen, warum er es tun will. Zudem sollten die Länder mit den großen Reiseetats von Anfang an ins Projekt eingebunden werden.

Ebenso wichtig ist die klare Strategie. "Allein vom Schreibtisch aus lässt sich nicht globalisieren", sagt Liane Feisel. An persönlichen Besuchen in den betreffenden Ländern und Treffen mit den einzelnen Ländergesellschaften kommen die Unternehmen nicht vorbei. Der Travel Manager muss reisen - und das recht intensiv.

...

Daten mühsam eintreiben

A und O sind Vorbereitung und Analyse. Wer globalisieren will, muss viele Fragen stellen. Wie hoch ist das Reiseaufkommen? Wie gestaltet sich der Reiseprozess von der Planung und Buchung bis zur Abrechnung und zum Reporting? Wer sind die Dienstleister vor Ort? Welche Systeme sind im Einsatz? Wo werden Verbesserungspotenziale gesehen? Beraterin Andrea Zimmermann (btm4u) und Feisel starten ihre Projekte in der Regel mit einer länderübergreifenden Befragung. "Die Ergebnisse fließen in eine Matrix ein, bestehend aus den Ländern und den abgefragten Kriterien", so Feisel: "Diese zeigen, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich über die verschiedenen Länder ergeben."

...

Wer macht mit?

Ganz ohne Strenge geht es allerdings auch nicht. Ist das globale Vorhaben beschlossen, sollte es den Ländern verboten werden, neue Ausschreibungen oder Projekte im Travel Management anzustoßen - die womöglich zunächst für mehrere Jahre bindend wären.

Zu den Vorüberlegungen gehört es festzulegen, welche Länder in die Globalisierung einbezogen werden sollen. Berater empfehlen hier die klassische 80/20-Regel. Mit anderen Worten: Nur bei Töchtern mit einem wirklich großen Reisevolumen lohnt sich der Aufwand. Doch auch hier gilt es aufzupassen, kleinere Gesellschaften nicht vor den Kopf zu stoßen: Vielleicht wünschen sie sich ja sogar Hilfe?

Und: Wem es bei der Globalisierung in erster Linie um das Thema Reisesicherheit geht, der muss möglichst lückenlos vorgehen. Und darf dennoch nicht enttäuscht sein, wenn sich nicht alle Länder "vom einzig wahren Travel Management überzeugen lassen", wie es eine Geschäftsreiseplanerin aus Erfahrung ausdrückt: "Gallische Dörfer muss man akzeptieren, die wird es immer geben".

Steht Vereinheitlichung im Fokus, sollte man hinterfragen: Was genau will man standardisieren? Sind weltweit nur ein Reisebüro und eine Buchungssoftware sinnvoll? Was verlockend klingt, endet nicht selten in Enttäuschung. Und höheren Kosten. "Keine Kette und keine Software kann weltweit allen Anforderungen gleichermaßen gerecht werden", warnt Liane Feisel.

...

"Eine bessere Lösung kann es sein, beispielsweise pro Kontinent den jeweils besten Partner einzuführen - statt weltweit alles über einen Kamm zu scheren", schlägt Liane Feisel vor.

...

Auch das gehört zum Fingerspitzengefühl: Welche Länder können gar nicht miteinander? Wie lassen sich trotzdem Lösungen finden? Überhaupt muss die sogenannte interkulturelle Kompetenz Bestandteil jeder Internationalisierung sein. Auf ihr wiederum basieren die Kommunikationskonzepte, die für jedes Land getrennt aufgesetzt werden müssen.

Für Liane Feisel kann es neben einer strikten Vorgabe daher auch ein Weg sein, den einzelnen Ländern die Wahl des Reisebüros selbst zu überlassen. Bedingung: Die Büros müssen die vom Travel Management vorgegebenen globalen Service-Levels erfüllen und valide Daten für ein Reporting bereitstellen können. Zudem müssen die Töchter ihre lokal verhandelten Verträge mit Airlines und Hotels an die Zentrale liefern, so dass alle Mitarbeiter die Konditionen nutzen können. "Bei einem Kunden führte dieses Lange-Leine-Prinzip neben der Transparenz zu einer großen Zufriedenheit", so die Wahl-Hamburgerin: "Ein Erfolg, der langfristig meist einen größeren Mehrwehrt stiftet als eine feste Einsparsumme."

Und wem vor allem die Daten wichtig sind, der kann einen seiner Reisebüropartner als sogenannte Master-Agentur definieren: Sämtliche Büros müssen ihre Buchungsangaben dann an diese weiterleiten. Alternativ greift man zu einem speziellen Datenkonsolidierer oder gelangt zu den Angaben über eine weltweit genutzte Kreditkarte.

...

Text: Oliver Graue

In: BizTravel, Nr. 5, November/Dezember 2016, S. 22 ff.

Zurück